Weich­ge­spül­tes Täufer-​Jubiläum

"Die Täufer kehren nach Zürich zurück" titelte das christliche Wochenmagazin IDEA am 4. Juni 2025. 500 Jahre nach der todbringenden Verfolgung durch Zwingli und die Regierung hatten sich mennonitische Täufer Ende Mai mit Vertretern der grossen Konfessionen im Zürcher Grossmünster getroffen.

Ein offensichtlich begeisterter Journalist berichtet in IDEA vom grossen Tag:

  • Der Festgottesdienst habe wohl zu den farbigsten, auch symbolträchtigsten gehört, die je in den Mauern des Grossmünsters erklungen seien.
  • Die Mennoniten wählten "das zukunftsgerichtete Motto 'Mut zur Liebe'."
  • "Der Reformierte und der Täufer wuschen einander die Füsse."
  • "Die Lutheranerin und der Mennonit segneten einander mit Öl, zeichneten das Kreuz auf die Stirn des Gegenübers."
  • Kardinal Kurt Koch verlas ein Grusswort des Papstes, welches von "Wiederlesen der Geschichte" und vom "anhaltenden Weg von Heilung und tieferer Brüderlichkeit" sprach. 
  • Mennoniten-Chef Garcia fragte nach dem "Mut, der Teufelskreise der Gewalt aufbricht und Wege der Versöhnung weist."
  • Und dann gab es noch multikulturell aufgefächertes Lob des Höchsten, eine hochkarätige Ausstellung, Workshops zu Gewaltfreiheit, Feindesliebe, Ökologie u.a.m.
  • In einer gemeinsamen Erklärung nannten die Reformierten die Verfolgung der Täufer einen Verrat am Evangelium. Die Täufer räumten Selbstgerechtigkeit ein.

Worthülsen sollen Täufer-Geschichte ausblenden

Natürlich ist es nicht erwünscht, dass jemand einer Festgemeinde in die Parade fährt. Schliesslich haben sich die Organisatoren das Programm fein säuberlich zurechtgelegt.

Auch bei der Versöhnung 2025 mit den Mennoniten in Zürich war die Botschaft klar, die in die Welt ausstrahlen soll: 

  • "... unsere Familie als ganze wiederherstellen auf der Suche nach einem gemeinsamen Zeugnis"
  • "... in die Einheit des Geistes hineinleben"
  • "... liebevoll auf dem Weg miteinander zu gehen als ein Leib Christi." 

Nun sprechen diese Worthülsen in keinem Masse vom Geist der Täuferbewegung, die im Januar 1525 in Zürich ihren Anfang nahm. Bei so viel hehren Absichten hätte es ja keine Verfolgung und keine Märtyrer gegeben zur Zeit Zwinglis!

Schade also, hatte Felix Manz, der erste in Zürich hingerichtete Täufer (1498-1527), keine Gelegenheit, den sich vermeintlich versöhnenden Nachfahren im Grossmünster zu erklären, um was es 1525 überhaupt ging. Dabei ist die Sache denkbar einfach! Manz und seine Freunde nahmen sich ganz einfach das Recht, die Bibel selber zu intepretieren und zu befolgen. 

Luther und Zwingli hatten die Bibel zuvor schon als allein gültige Richtschnur bezeichnet. Dies taten sie, um sich gegen Irrtümer und Missbräuche der katholischen Kirche abzugrenzen und eine reformierte Theologie in Umlauf zu bringen. 

In Folge hätten biblische Anweisungen alleinige Grundlage für die christliche Nachfolge sein sollen (Sola Scriptura). Doch die Reformatoren hielten sich selber nicht an ihre Entdeckung. Zu tief hatten sie das katholische Lehrsystem in sich selbst verankert. Als ehemalige Priester waren sie zu sehr daran gewöhnt, dass ordinierte Kleriker dem Volk befehlen, was dieses in kirchlichen Dingen zu tun hat. Hybris des Standesdünkels. Luther, Zwingli & Co. blieben bei der Reformation auf halbem Weg stehen und gründeten neue Obrigkeitskirchen, die den theologischen Diskurs mit Untertanen letztlich nicht duldeten. 

Das galt übrigens nicht nur für das ungelehrte Volk. Felix Manz hatte eine umfassende humanistische Ausbildung genossen und war in den alten Sprachen (Hebräisch, Griechisch, Latein) bewandert. Er gehörte früh zum reformatorischen Kreis um Zwingli. Gemeinsam hatten die beiden die hebräische Sprache studiert. Doch als Manz und seine Brüder entdeckten, dass das Neue Testament nur vom Taufen verstandesmächtiger Personen spricht, setzten sich die Täufer von der Zürcher Staatskirche ab. Zwingli konnte die Kindertaufe zwar nicht belegen mit der Bibel. Doch er konnte sie mit staatlichem Zwang einfordern. Wenige Tage, nachdem Manz im Januar 1525 getauft worden war und in Zollikon die erste Freikirche der Welt entstand, wurde der feurige Verkünder Manz verhaftet. Doch der Funke hatte bereits gezündet. Die Täufer setzten auf das Wort Gottes. Die Bewegung liess sich von einer verfolgenden Staatskirche nicht aufhalten. 

Manz wurde 1527 in der Limmat ersäuft. Ihm folgten gegen 1'000 Täufer in den amtlich bestätigten Märtyrertod. In der Schweiz und im benachbarten Ausland. Täufer wurden enteignet, vertrieben, eingekerkert, auf die Galeeren verbannt, ersäuft und verbrannt. Viele zusätzliche Todesopfer sind nicht namentlich bekannt. Zwar haben sich Kirchen da und dort entschuldigt und von Verfolgung distanziert. So wie eben die "Versöhnungs-Gemeinde 2025" im Grossmünster bekannt hat, dass die Verfolgung ein Verrat am Evangelium gewesen sei. 

Was hätte Felix Manz der Festgemeinde im Grossmünster gepredigt?

Nun, vielleicht hätte es Manz ja einfach die Sprache verschlagen ob so viel Oberflächlichkeit und Geschichtsvergessenheit des Täufer-Jubiläums 2025. So wäre der Skandal ausgeblieben und "Friede, Freude, Eierkuchen" hätte seinen Lauf genommen. 

Die Chance ist allerdings minim, dass der hellsichtige Manz seinen Mund gehalten hätte. Er und seine Mitstreiter hatten die Irrungen einer jungen Staatskirche schon 1525 glasklar erkannt. Wie also hätte Manz schweigen können, wenn er 2025 auf eine fast völlig säkularisierte Zürcher Staatskirche trifft?!

Die Bibel war 1525 alleinige Richtschnur für den Glauben und die kirchliche Praxis der entstehenden Täuferbewegung. So hätte Manz die Zürcher Staatskirche auch 500 Jahre später an ihrer Treue zur Bibel gemessen. Als prophetisch-feuriger Theologe hätte er schnell festgestellt, dass die Zürcher Kirche die Bibel fast nur noch als psychologischen Ratgeber versteht. Verkündet wird ein humaner Jesus, der den wenigen verbleibenden Kirchenbesuchern als Vorbild dienen soll, doch bitte auch lieb und nett zu sein.

Biblische Aussagen von erster Wichtigkeit wie die Gottheit Jesu, die Jungfrauengeburt, Wundertaten, leibliche Auferstehung, Sünde, Hölle, ewige Verdammnis etc. wurden von Kirchenoberen längst als ungültig erklärt. Dagegen erlaubt ein erfundener "lieblieb Jesus" die Abtreibung, die exzessive Selbstverwirklichung, die Homosexualität, die Faulheit, die Plünderei der Staatskasse, die freie Geschlechterwahl inkl. körperlicher Verstümmelung, die Esoterik, Naturreligion und die forcierte Rettung des Planeten. 

Ein Eklat wäre unausweichlich geworden. Manz hätte den düpierten Festbesuchern 2025 offenbart, dass eine verwässerte Versöhnung das Papier nicht Wert ist, auf dem sie steht; ... dass mit dem Mennonitischen Weltbund nicht etwa die Täufer nach Zürich zurückgekehrt seien, sondern säkular harmonisierte Spät-Nachfolger. Manz hätte bewiesen, dass eine liberale, nur dem Namen nach christliche Zürcher Kirche, sich gar nicht versöhnen kann, wenn sie den Kern der Täuferbewegung weder kennt, noch benennt, noch respektiert. 

Hätte Manz die oberflächliche Festgemeinde vielleicht mit einer Geissel aus dem "Bethaus der Völker" vertrieben? Oder hätte die entlarvte Gemeinde ihn gepackt und zur nahen Limmat geschleift? 

Wie auch immer: IDEA und andere Medien hätten dann wenigstens sachgerecht darüber berichten können, was 1525 den Kern der Täuferbewegung ausgemacht hat.